Merlot
Weltweit mag der Merlot vielleicht „nur“ die Nummer 2 unter den angebauten Rebsorten sein (hinter dem Cabernet Sauvignon) – in seiner Heimat Frankreich ist er dafür aber der klare Tabellenführer. Auf über 110.000 ha. wächst er dort. Das ist mehr als die Fläche, die der gesamte Weinbau in Deutschland belegt. Merlot wächst in Frankreich aber nicht nur häufig, sondern auch schon sehr lange. In Urkunden wird sein Anbau schon im 14. Jahrhundert erwähnt. Damals noch unter einem Namen, der eher klingt wie ein Zauberspruch bei Harry Potter: Crabatut noir. Kurz vor der französischen Revolution taucht der Merlot dann zum ersten Mal unter seiner heutigen Bezeichnung auf. Seine genetische Herkunft ist inzwischen auch eindeutig geklärt. Ein Elternteil ist die heute fast völlig ausgestorbene Rebsorte Magdeleine Noir des Charentes, der zweite ist wie beim Cabernet Sauvignon der Cabernet Franc.
Man kann kaum über Merlot sprechen, ohne ständig Vergleiche zur anderen großen Bordeaux-Rebsorte zu ziehen. Zum Cabernet Sauvignon verhält sich der Merlot ungefähr so wie Ambient zu Techno im Club – eng verwandt und doch völlig unterschiedlich. Er ist weich und samtig statt hart und kantig, schmeichelnd statt fordernd, früh- statt spätreifend, lockerbeerig statt kompakt. Genau diese Gegensätze machen die beiden Sorten zum Bordeaux-Dream-Team. Für Cuvées sind beide aber auch mit anderen Partnern außergewöhnlich gut geeignet. Gemeinsam haben sie auch die Körperfülle und die intensiv dichte Farbe. In einer Cuvée wirkt der Merlot oft wie das regelmäßige Meditieren am frühen Morgen: ausgleichend und harmonisierend.
Man kann den Merlot aber auch reinsortig ausbauen. Als einfachen und unkomplizierten fruchtbetonten Zechwein zum Beispiel. Aber auch, wie am rechten Ufer der Dordogne, als absoluten Top-Shot wie bei einem der besten, gefragtesten und teuersten Bordeaux überhaupt: Der legendäre Chateau Petrus ist ein sortenreiner Merlot. Doch um einen wirklich guten Merlot zu produzieren, muss man die wuchsfreudige und ertragreiche Sorte beizeiten mit der Rebschere zusammenstauchen. Für Weltklasse ist strenge Ertragsreduktion angesagt.
Aromatisch kommt der Merlot oft als samtige kleine Fruchtbombe daher. Schwarzkirsche, Pflaume, Cassis (also Schwarze Johannisbeere), Brom- und Himbeere sind typische Merlot-Aromen. Hat er sich in wärmeren Regionen (Südfrankreich, Australien) zuvor ordentlich gesonnt, kommen auch gern Lakritze und Nelke hinzu. Der bei den gehobenen Qualitäten obligatorische Ausbau im Barrique packt dann noch mal Röstaromen, Schokolade und Tabaknoten obendrauf. Merlot ist meist schon jung zugänglich, kann aber auch sehr gut altern. Mit der Reife tritt die Frucht etwas in den Hintergrund, um dann kräutrigen Noten Platz zu machen.
Seit 1997 ist Merlot auch in Deutschland als Rebsorte zugelassen. Und doch hat er sich schon einen Platz unter den Top 10 innerhalb der deutschen Rotwein-Rebsortencharts erobert. Vor allem in der Pfalz und in Rheinhessen wird er angebaut, zurzeit auf 700 Hektar, Tendenz steigend. Der Klimawandel macht’s möglich.