Gamay
In Weinkreisen ist der Ruf der alten französischen Rebsorte Gamay seit längerem – vorsichtig ausgedrückt – eher durchwachsen. Nichts illustriert dieses ambivalente Verhältnis so gut, wie die Tatsache, dass die älteste bekannte urkundliche Erwähnung von Gamay ein Dekret von Philipp dem Kühnen aus dem Jahr 1395 ist, in dem der Anbau wegen „der Schädlichkeit für die menschliche Gesundheit“ untersagt wird zugunsten von Pinot Noir. Ganz so schlimm kann’s aber dann doch nicht gewesen sein, den rund fünfeinhalb Jahrhunderte später war sie die Rebsorte hinter dem erfolgreichsten Coup im Weinmarketing nach dem 2. Weltkrieg – dem Beaujolais-Nouveau.
Mit dem Beaujolais ist der Gamay so stark verwoben, dass eines seiner Synonyme Beaujolais-Traube lautet. Aber auch anderenorts ist er zu finden: direkt nebenan im Süden beispielsweise, im Maconnais. Oder an Teilen der Loire (Anjou und Saumur für Rosé und in Cuvées, im Tourraine auch sortenrein rot). Und selbst im Burgund findet sich – trotz des Verbots des Kühnen Phillips – noch Gamay. Und zwar als mindestens ein Drittel der zusammen mit Pinot Noir und/oder Pinot Liébault im Wingert wachsenden Cuvée a.k.a. Gemischter Satz Bourgogne Passe-Tout-Grain – in Deutschland meist Passetoutgrain geschrieben.
Die Tradition, ihn mit Pinot zusammen auf die Flasche zu füllen, findet sich – beispielsweise unter dem bekannten Namen Dôle – auch in der Schweiz. Dort ist er mit rund 1.350 Hektar, die zweitmeist angebaute rote Rebsorte. Weltweit wächst Gamay auf rund 26.000 Hektar. Bei nach wie vor fallender Tendenz allerdings. In den World-Variety-Charts reicht es zurzeit nur noch für Platz 34. In den letzten Jahren ist die Sorte von einigen Protagonisten der Vin Naturel Szene wiederentdeckt worden, was durchaus zu einer gewissen neuen Popularität beigetragen hat. Außerdem hat sich in den Cru-Appellationen des Beaujolais sehr viel getan. Junge Winzer sorgen für einen Qualitätsschub und bekannte Häuser aus dem Burgund kaufen sich zunehmend im Beaujolais ein.
Gamay ist eine natürlich Kreuzung aus Pinot und Gouais Blanc a.k.a. Weißer Heunisch. Er liefert eher helle, fruchtbetonte Weine. Wird er mit Hilfe der Macération Carbonique vergoren, kann seine Frucht (Himbeere, Kirsche, zuweilen aber leider auch recht deutlich Banane) bis fast ins Groteske überbetont sein. Doch auf geeigneten Böden entstehen eben auch ernstzunehmende Weine mit Tiefe und beachtlichem Alterungspotential.