Maischestandzeit
Den Zeitraum, in dem Trauben oder Beeren Kontakt mit dem Most haben, nennt man Maischestandzeit. Ganz wie bei der Frage, wie lange man seinen Tee ziehen lässt, ist deren Dauer eine wesentliche Stellschraube für die Struktur und den Geschmack des späteren Weins.
Vor allem beim Rotwein, den es ohne eine längere Kontaktzeit der Beeren mit dem Most ohnehin nicht gäbe. Denn die Farbstoffe (a.k.a. Anthocyane) befinden sich bei fast allen roten Rebsorten nur in den Beerenhäuten. Deshalb ist eine gewisse Maischestandzeit zwingend notwendig, damit aus hellem Traubensaft roter Wein wird.
Bei diesem Vorgang, der Mazeration oder Maischegärung genannt wird, landen neben den Anthocyanen auch jede Menge Aromen und Gerbstoffe (a.k.a. Tannine) im Most. Je länger man Trauben und Most zusammenlässt, desto farb- und geschmacksintensiver wird der Wein. Zwischen einer und vier Wochen dauert das Ganze meistens. Unterstützt wird das Mazerieren in dieser Zeit durch regelmäßiges Umrühren (a.k.a. —>Pigeage) oder Umpumpen (a.k.a. Remontage) der Maische. Noch längere Zeiträume machen aber wenig Sinn. Auch hier ist’s wie beim Tee: Ab einem bestimmten Punkt wird es nicht mehr besser oder intensiver, sondern nur noch bitterer.
Eine gewisse, wenn auch nicht so offensichtliche Rolle spielt die Maischestandzeit aber auch beim Weißwein. Da hier zu viele Phenole und Tannine deutlich schneller unangenehm auffallen, ist aber eher Maische-Sprint als Langstrecke angesagt. Je nach Winzerphilosophie und Jahrgang variiert die Dauer von nur wenigen Stunden (dann meist als Ruhezeit direkt in der Presse) bis hin zu zwei oder drei Tagen. Doch auch beim Weißwein wird die Farbtiefe durch die Dauer der Maischestandzeit beeinflusst.
Besonders deutlich wird das bei einer Weingattung, die einst als Nischenprodukt für Weinfreaks gestartet ist, inzwischen aber mehr und mehr Anhänger findet: dem Orange Wine. Dahinter verbirgt sich Wein, der zwar aus weißen Rebsorten vinifiziert wurde – das aber mit der Maischestandzeit eines Rotweins. Der Name nimmt das Ergebnis vorweg: es entstehen eigenwillige, nicht nur in der Farbe intensive Weine. Im Farbspektrum changieren sie meist irgendwo zwischen tiefgelb und einem kräftigen Orange.
Und natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall: Also Weine aus roten Rebsorten, produziert mit Maischestandzeiten wie beim Weißwein. Die sind in der Weinwelt sogar deutlich häufiger anzutreffen. So häufig, dass vermutlich jeder schon einmal Kontakt mit ihnen hatte: Genau auf diese Art entstehen nämlich Rosé, Weißherbst und – bei noch kürzerer Maischestandzeit – der ––>Blanc de Noir.