Barriques
300! – nicht spartanische Krieger sondern Weinflaschen. Genau so viele passen ins Holzfass, das als Barrique bezeichnet wird. 225 Liter Volumen – und damit weniger als die Hälfte eines —> Tonneau – hat es. Jedenfalls im Bordeaux. An anderen Orten kann das leicht variieren – das Pièce im Burgund beispielsweise hat 228 Liter, das Nantaiser Barrique 230. Aber die Größenordnung ist überall gleich. Das ist kein Zufall, denn seine Karriere hat das Barrique als Behältnis für den Export begonnen. Und die Größe wurde so gewählt, dass eine Person allein ein leeres Fass gerade eben noch heben kann.
Aus Bordeaux haben schon im Mittelalter große Mengen Fassware nach England rübergemacht. Irgendwann hat man dann zufällig festgestellt, dass die Weine durch längere Lagerung im Fass nicht nur haltbarer sondern auch besser wurden. Die 2. Karriere des Barriques war geboren. Erste Beta-Tests gab es bei Cos d’Estournel schon vor 200 Jahren. Heute ist der Ausbau im Barrique vor dem Verkauf für Premiumweine weltweit Standard. Für Rotweine ohnehin, aber auch für weiße Sorten, allen voran den —> Chardonnay.
Der Effekt auf den Wein ist doppelt: Viel Oberfläche in Relation zum Volumen sorgt für die perfekte Dosis Sauerstoff – die ersten Tannin-Ecken und Kanten werden so geglättet. Mindestens ebenso wichtig: Der Geschmacksturbo, der sich bei der Verwendung von neuen Fässern zuschaltet; denn aus dem Eichenholz werden zusätzliche Aromen ausgewaschen. Holztannin zum einen, aber auch rauchige Aromen, Noten von Kakao, Kaffee und Vanillin. Letztere entstehen beim Toasting – dem obligatorischen Ausbrennen beim Küfern neuer Fässer. Die Toasting-Stärke ist beim Kauf der Fässer wählbar. Sie hat einen zentralen Einfluss auf das spätere Aromenspektrum. Auch die Herkunft des Holzes – fast immer Eiche, manchmal aber auch Kastanie oder anderes – spielt für das Aroma eine Rolle.
Nur zwei- bis maximal dreimal kann man ein Barrique so verwenden. Schon beim ersten Mal gibt es rund 85% seiner Aromen ab. Danach ist es ausgelaugt wie das Suppenhuhn nach stundenlangem Simmern. Das Ganze ist deshalb übrigens kein billiges Vergnügen. Denn ein neues Barrique kostet mehrere hundert Euro. Hundert Prozent neue Fässer werden deshalb nur bei absoluten Spitzenweinen eingesetzt. Danach je nach Verkaufspreis ein Mix aus Erst-, Zweit- und zuweilen auch Drittbelegung. Bei günstigeren, in Tanks ausgebauten Weinen schmeißt man kurzerhand Eichenholz-Chips hinein, um den „Barrique-Effekt“ zu faken. Oder hängt einfach große Holzlatten in die Tanks, wenn man nicht kurzerhand das Aroma gleich in Pulver- oder Flüssigform zusetzt. Das hat dann zwar einen deutlichen Touch von Frankenstein, aber dafür ist’s schön billig.